Prinzregent Luitpold

Wiener Kongressakte, 9. Juni 1815, französischer Text (Transkription), Seite 15

Lageort: Parry, Clive (Hg.): The Consolidated Treaty Series, Vol. 64, New York 1969, S. 454-493.
Verträge

In Wien fand vom 18. September 1814 bis zum 9. Juni 1815 ein Kongress der europäischen Mächte unter dem Vorsitz des österreichischen Staatskanzlers Metternich statt. Zweck der Zusammenkunft war die Neuordnung Europas nach dem Sturz Napoleons. Insgesamt waren die Delegationen von rund 200 Staaten, Städten und Körperschaften in der österreichischen Hauptstadt vertreten. Die entscheidenden Beratungen fanden jedoch zwischen den vier Großmächten Russland (Zar Alexander I.), Großbritannien (Castlereagh/Wellington), Preußen (Hardenberg) und Österreich (Metternich) statt. Später gelang es dem Vertreter Frankreichs, Talleyrand, in diesen Kreis aufgenommen zu werden.

Diese Mächte trafen ihre Entscheidungen nach folgenden Prinzipien: 1. Restauration: Wiederherstellung der politischen Verhältnisse vor dem Ausbruch der Französischen Revolution. 2. Legitimität: Anspruch auf Wiedereinsetzung und Herrschaft haben nur Herrscher und Dynastien, die schon vor 1789 regiert haben.3. Monarchisches Prinzip: Nur Fürsten, die ihre Herrschaft von Gott (Gottesgnadentum) und nicht vom Volk ableiten, haben das Recht zu regieren.4. Solidarität: Die Fürsten sollen zur Abwehr revolutionärer Bewegungen zusammenarbeiten.5. Gleichgewicht der Kräfte: Zwischen den Großmächten sollte ein Gleichgewicht herrschen, das den Frieden dauerhaft sichert.

Mit diesen Prinzipien wurde den Ideen der Aufklärung (Volkssouveränität, Gewaltenteilung etc.) und den Hoffnungen der deutschen Patrioten auf einen Nationalstaat eine radikale Absage erteilt.

In Frankreich wurden die Bourbonen, die während der Revolution und der Regierung Napoleons ihre Herrschaft verloren hatten, wieder als Königsfamilie eingesetzt.Die wichtigsten Gebietsveränderungen, die nach dem Gleichgewichtsprinzip vorgenommen wurden, waren:- Polen wurde zwischen Preußen und Russland geteilt.- Preußen erhielt die Rheinprovinz, Westfalen und die Hälfte des Königreichs Sachsen.- Österreich bekam Tirol, Vorarlberg, Salzburg, das Innviertel, Illyrien, die Lombardei und Venetien zugesprochen.- Großbritannien behielt Helgoland, Malta, die Kapkolonie und Ceylon. Ferner ging es mit Hannover eine Personalunion ein.- Die Niederlande wurden neu geschaffen.- Auf dem Gebiet des Alten Reichs blieben die Veränderungen durch Mediatisierung und Säkularisierung sowie viele napoleonische Landverschiebungen bestehen. Damit brach man das Prinzip der Legitimität, um in Deutschland weiterhin lebensfähige Mittelstaaten zu erhalten. Anstelle eines Nationalstaats wurde mit dem Deutschen Bund am 8. Juni 1815 ein loser Staatenbund geschaffen. Damit waren bereits Konflikte um die Vorherrschaft im Deutschen Bund zwischen den beiden Großmächten Österreich und Preußen angelegt. Dieser Dualismus wurde durch Bismarck im Rahmen der Einigungskriege ab 1864 zugunsten Preußens entschieden. Die Mittelmächte wie Bayern versuchten als sog. Drittes Deutschland eine eigene außenpolitische Linie zu verfolgen.

Insgesamt verhinderte die Ordnung von Wien einen großen Konflikt zwischen den europäischen Großmächten für fast 100 Jahre. Die Erosion des restaurativen Systems setzte in den einzelnen Staaten jedoch schon bald nach der Wiener Kongressakte ein. Liberalismus und Demokratisierung waren unaufhaltsam auf dem Vormarsch.

Möller, Horst: Fürstenstaat oder Bürgernation. Deutschland 1763-1815 (Die Deutschen und ihre Nation), Berlin 1989.

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